The Roots - Game Theory

he Roots
Game Theory
Def Jam

Da war das Versprechen, der Mann der Eminem zum One-Man Rolling Stone im Beatles Kostüm gemacht hat, trifft die legendäre Roots Crew und verheißt den lang erhofften Durchbruch in den Mainstream. The Roots sind begeistert und liefern „The Tipping Point“ ab. Ein gutes Album, das aber doch ein paar der Qualitäten die man von dieser Band gewohnt ist, vermissen lässt. Bezeichnend ist der Titel, benannt nach einem Buch, dass sich mit der Verbreitung von Phänomenen wie beispielsweise Viren oder Aufständen befasst. Aber wie sich zeigen soll, läuft für die Band aus Philadelphia nichts wirklich phänomenal. Kein Hit, kein tolles zweites Video, kein Durchbruch. Zwei Best of Alben erfüllen den Plattenvertrag mit Jimmy Iovines Interscope und die Band setzt sich selber auf die Straße.

Dieses Hintergrund-Wissen ist nicht nur wichtig für das nächste Rap-Nerd Quiz, sondern auch maßgeblich, um zu verstehen wie dieses Album entstanden ist. Die „obdachlose“ Band tobt sich auf der ersten Hälfte der kurzweiligen Platte aus, drückt auf das Tempo und lässt es an allen Ecken und Enden knistern, wie es zuletzt ´92 auf Rapplatten gescheppert hat.

Das grimmige Meisterwerk hat Jay-Z überzeugen können, die legendäre Band aus Philadelphia bei Def Jam unter Vertrag zu nehmen. Zumal man sich mittlerweile von zahlreichen Nebenprojekten kannte. Und hier ist es nun endlich: das neue Roots Album Game Theory

Nach den ersten Tönen des Intros entfaltet sich die vielschichtige Soundlandschaft, die das ganze Album prägen soll. Diverse Drumtracks, kleine Melodien, Vocal Samples und ein Black Thought in Bestform begleitet von einem Public Enemy Zitat, machen „False Media“ zu einer Verneigung vor dem klassischen Bomb Squad Sound.

Der dritte Song auf dem Album ist nicht nur der Titelrack des Albums sondern gleich eines der zahlreichen Highlights. „Game Theory“ schließt sich zunächst nahtlos an False Media an, um dann aber ein mörderisches Tempo aufzunehmen. E-Gitarre und frisierte Heimorgel rasen über einen scheppernden Beat um das lang ersehnte Comeback von Malik B. vorzubereiten. Spätestens bei der ersten Zeile des Problem beladenen zweiten MC der Roots weiß der Hörer, dass die Band zu alter Form zurückgekehrt ist.

„It don’t feel right“ ist eine der gleich drei ersten Singles des Albums. Ohio Players und Kool & The Gang liefern die Samples die durch ein leicht dissonantes Keyboard erweitert werden. Der Song erzählt von diesem merkwürdigen Gefühl, dass es heute noch mehr als gestern auf der Welt falsch läuft. Sei es Amerikanische Innen und Außenpolitik, Musikbusiness oder Medienzensur. Das Highlight ist ein herrlicher Break mit schwerem Clavineteinsatz.

Ebenfalls Video geworden ist der Song „In the Music“. Soundtechnisch könnte es sich hier um eine Scott Storch Produktion vom letzten Album handeln. Es ist der vielleicht langweiligste aber gleichzeitig eingängigste Song der Platte. Aber jede Strophe von Malik B. ist eine Wohltat für das alte Fanherz.

Und wo wir schon bei alten Weggefährten sind, trifft es sich, dass der nächste Song „Take it there“ niemand geringeres als Rahzel The Godfather of Noize featured. Jede Strophe führt den Hörer näher an den Aufstand um den es auf diesen Album geht. Gute alte legendary Roots Konzept Kunst die aufgeht.
Der Geniestreich des Albums ist „Baby“ eine Kreuzung aus The Seed (2.0) und Doo Wop. Black Thought singt mehr als dass er rappt und die zu den Temptations umfunktionierten Roots säuseln im Hintergrund um ihr Baby zu besänftigen. Vielleicht geht es hier auch um die Metapher die Common mit „I Used to love H.E.R.“ gestartet hat.

Nach dieser Exkursion zu den musikalischen Wurzeln des Drummers Questlove, der seine Karriere als Drummer in der Doo Wop Band seines Vaters begonnen hat, geht es mit „Here i come“ wieder hoch her. Der dritte ausgekoppelte Track führt ebenfalls zurück in die Glanzzeit der Bomb Squad um Public Enemy. Rasende Drums, Soundchaos und Dice Raw und Malik B. als Features für ein klassisches HipHop-Gefühl.

Ein eher klassisches Roots-Gefühl stellt sich bei der ungewöhnlichen Kollaboration mit Peedi Peedi namens „Long Time“ ein. Für die Streicher in dem schönen Stück ist der Altmeister Larry Gold zuständig. Die Strophen von Black Thought werden Kenner bereits auf dem Larry Gold Album von 2003 gehört haben. Die bleiben allerdings zeitlos gut. Ebenfalls aus der Ecke von Larry Gold kommt Bunny Sigler der dem Chorus seine Stimme leiht, und in seiner langen Karriere einer der prägenden Figuren des alten Philly Soul Sounds war. Peedi Peedi kommt ebenfalls aus Philadelphia und ist Teil der Crew um Freeway und Konsorten.

„Livin’ in a New World“ schließt sich an „Long Time“ an, die Bomb Squad hat jetzt wieder Urlaub, und die Roots entwickeln weiter ihr vielseitiges, ausgesprochen musikalisches Album. Der Song erinnert leicht an eine College Marching Band, mit Trommelwirbeln und Querflöten, und selbst der von Scooter stark überreizte Megaphon-Effekt auf der Stimme von Black Thought ist da verzeihlich.

Die Ballade „Clock with no Hands“ ist sehr verschachtelt und auf den ersten Blick leicht dissonant. Aus dem Chaos entsteht ein Meisterwerk einer Ballade. Black Thought erzählt autobiographisches während Brooke d’Leau als Produzent irgendwie dafür sorgt, dass all die Lagen ein geniales Ganzes ergeben.

Brooke d’Leau ist die eine Hälfte des Duos J*Davey, das schon bald die Welt erobern wird. Die andere Hälfte hört auf den Namen Jack Davey und ist auf „Atonement“, einem schleppendem Song der sogar das Schifferklavier für die Blockparty tauglich macht, vertreten.

Das Intro des Albums zitiert bereits den verstorbenen Jay Dee, und der letzte Track ist gänzlich im gewidmet. „Can’t Stop This“ ist ursprünglich der Jackson 5 Donut auf dem letzten Instrumental Album von Jay Dee gewesen. Es geht um die Liebe zu HipHop, die für The Roots noch immer das wichtigste an ihrer Musik ist. Aus dem Donut wird nach vier Minuten ein Medley gespickt mit verschiedenen Botschaften diverser Künstler, die im Gedenken an den größten Produzenten den HipHop bisher gesehen hat, aufgenommen worden sind. Die Musik ist Questloves persönliche Verneigung vor seinem Freund, der erst in ein paar Jahren seinen wahren Stellenwert erreichen wird. Das Medley reicht von raffinierten Beats, bis zu knarzenden Synthies und spiegelt in gewisser Weise die enorme Bandbreite Jay Dee’s wieder, dem dieses Album gewidmet ist.

Die 13 Tracks zeigen The Roots in alter Bestform, die sie nach Things Fall Apart doch teilweise gesucht haben. Man sollte zwar ohnehin jedes Roots Album besitzen, aber dieses Werk ist eine besondere Freude, auch wenn die Band ihre Stärke für die ruhigeren Töne auf diesem Album doch sehr vernachlässigt, und man nur zu gerne die Blackstar Features die für Game Theory aufgenommen wurden, hören möchte, so hat man es doch mit einem ausgesprochen starken Album zu tun. Es ist immer eine Freude wenn HipHop-Produktionen
es schaffen ein zusammenhängendes Album abzuliefern, und The Roots sind noch immer die Meister in dieser Kategorie. Wenn sie für ihr nächstes Album das Rhodes mal wieder entstauben würden, und sich zwei große Features holen, dann könnten sie endgültig als Beste Band aller Zeiten in den Olymp aufsteigen.

The Roots im Internet:
www.okayplayer.com
The Roots in Bild und Ton:
http://www.youtube.com/watch?v=Uvb_AZ8c6jI


Jazzket | Montag, 18. September|