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LSD - Watch Out For The Third Rail (Reissue) |
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SD
Watch Out For The Third Rail (Dope Beat Edition)
Melting Pot Music / Groove Attack
"Wer LSD nicht kennt, soll's Maul halten!", befindet DJ Stylewarz in den Linernotes, während Scope die "totale Gesichtskernschmelze" attestiert. Man ahnt also, dass sich hier – bei aller Subjektivität – etwas Ungewöhnliches verbirgt, nämlich nicht weniger als die eigentliche musikalische Stunde Null des HipHop in Deutschland. Pionierarbeit. Und wer schon 1991 dabei war, als "Watch Out For The Third Rail" ursprünglich veröffentlicht wurde, kann an dieser Stelle guten Gewissens aufhören zu lesen und sich freuen, dass dieses Monument jetzt endlich in neu gemasterter und um Etliches erweiterter Form zu haben ist. Oder sich ärgern, dass jetzt jeder Newjack hören kann, worum sich so viele Legenden ranken.
Wer über LSD allerdings höchstens weiss, dass die Original-LP schon seit Jahren in abstruse Preisregionen bei Sammlern vorstößt, sollte sich im Klaren darüber sein, dass ihn hier beileibe kein simpel gestricker, kaum erträglicher Drumcomputer-und-Keyboard-Jugendzimmerrap erwartet, der höchstens noch Kuriositätswert hat. Im Gegenteil haben die vier B-Boys aus der Eifel, die sich Ende der Achtziger zu LSD zusammenschlossen, auf ihrem ersten und einzigen Album ein musikalisches Level vorgelegt, das deutschen HipHop damals gleichermaßen geprägt und überfordert hat: Der Sample-Irrsinn, die vielschichtigen, endlos detailreichen Produktionen, aus denen Einflüsse wie Bomb Squad, 45 King oder Mantronix wie neonfarbene Hinweisschilder ragen, erzählen von einer Zeit, in der es noch nicht reichte, bei Ebay "Breaks" einzugeben, nach Samples zu googeln oder mit Homies Sample-CDs zu tauschen, als "Ultimate Breaks & Beats" noch ein heiliger Gral und Beatdigging eine echte Geheimwissenschaft war, als es einfach noch eine Scheissarbeit war, eine Platte wie diese hier zusammenzuzimmern. Zwei Jahre lang schraubten die vier Jungs, damals höchstens Anfang Zwanzig, dann auch an Sampler und C64, bis sie mit dem Ergebnis zufrieden waren.
Und wie so oft im HipHop war auch im Fall von LSD die Competition ein wichtiger Faktor: Innerhalb der Gruppe herrschte ein latentes Battle zwischen Ko Lute und DJ Defcon sowie den Rick-Brüdern Future Rock und Rick Ski, das dazu führte, dass Sampleplatten tatsächlich nur mit abgeklebten Labels ins Studio kamen und nach der Aufnahme sofort wieder versteckt wurden – bis heute kennt niemand alle verwendeten Samplequellen, und während Defcon auf einem Schulausflug war, fotografierte der Rest mal eben das Albumcover. Dass die Unstimmigkeiten dann letztlich bald nach Release von "Watch Out For The Third Rail" (1991 auf dem Kölner Jazzlabel Rhythm Attack Productions) auch zum Split der Gruppe, damit zum ersten Disstrack Deutschlands ("Ohne Warnung" von Future Rock und Rick Ski) und schließlich zur Gründung von LSD Proton durch Ko Lute und Defcon führten, zeigt wohl einfach nur, wie HipHop das alles war.
Bleibt zu erwähnen, dass die Raps von Ko Lute, die damals in leicht deutsch klingendem Englisch zwar State of the Art waren, im Verlauf von annähernd zwei Dekaden doch etwas mehr Staub angesetzt haben als das beeindruckende Soundgewitter, das heute vermutlich eher kapiert wird als 1991 – und hier kommt Olski ins Spiel. Herr Oliver von Felbert, der LSD damals schon für eine Spex-Titelstory über Rap in Deutschland interviewt hat, ist heute bekanntlich Don des überaus geschmackssicheren Labels Melting Pot Music und somit in der glücklichen Position, den Kreis schließen zu können: "Watch Out For The Third Rail" liegt jetzt in der "Dope Beat Edition" vor, die auf CD1 das 38 Tracks tiefe, neu gemasterte "Third Rail"-Ursprungswerk beinhaltet und auf CD2 neben diversem Bonusmaterial erstmals 21 Instrumentalversionen zum Analysieren, genießen und zum Pumpen in deinem Jeep bereit hält. Instrumentalvinyl folgt. Und 2008 ist endlich auch DJ Defcon auf dem Cover zu sehen.
Get your history on: Defcon of Disco Diamant Fame füttert einen eigenen Youtube-Channel, der neben viel ungeahntem Originalstuff (Wo chillen die Fantas backstage mit Advanced Chemistry? Ha.) auch aktuelle Interviews zur LSD-Reissue warten. Man kann nur hoffen, dass dort auch bald Material vom ersten gemeinsamen Auftritt seit 17 Jahren, Anfang April 2008 im Subway, Köln, auftaucht.
djmq | Montag, 7. April|
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