26.06.06
Stand up for the Champions
Die Gegner des therapeutischen Klonens kennen offensichtlich nicht meinen Terminkalender. Zu meiner persönlichen, sich jährenden, Umrundung der Sonne (Stevie hat den ultimativen Song zum Thema geschrieben) habe ich mir den Kalender frei gehalten, damit ich mal gediegen zur Ruhe kommen könnte. Doch wie es so ist, kündigt die Ruhe nur den Sturm an. Am Lenz machten die guten Neuigkeiten die Runde: Positunes auf dem Fifa Fan Fest, ich als Tourbegleiter, und ein Foto-Shooting mit dem grandiosen MG3 und ein paar sehr speziellen Gästen, ich als Model. Zwei sehr feine Sachen, die beide erfreulich sind, und natürlich zur selben Zeit stattfinden sollen. Unglücklich nur, dass der Ort jeweils ein unterschiedlicher ist. Und so weit um die Ecke zu denken, das MG3 auf das Fifa Fan Fest zu verlegen wollte man dann auch nicht. Das größte Fußballereignis der Hansestadt und das vielleicht beste Jazz Trio passen halt doch nicht zusammen. Dafür ist der Fußball-Fanat vielleicht nicht recht in Laune. Roger Willemsen ist für die Deutsche Mannschaft ja leider auch nicht aufgestellt worden. Und so lange Prinz Poldi noch nicht Kulturzeit auf 3Sat moderiert fehlen vermutlich ein wenig die Schnittmengen.
Als der Veranstalter des Fan Festes dann auch noch einen zweiten Gig am gleichen Tag fordert, freut sich mein Mobilfunkanbieter, der sich bereits über 8 Stunden im vergangenen Monat gefreut hat.
Nach dem erfolgreichen Organisieren aller Künstler, und einem Vertreter für meine Aufgaben beim MG3 Shooting (Foto-Playback: ein Mensch tut nur so, als würde er wie jemand anderes aussehen, tut es aber gar nicht wirklich) steht einem 14 Stunden Freitag nichts mehr im Wege.
Als leicht verspätetes Geburtstagsgeschenk erhalte ich die frohe Kunde, dass wir uns beim Fan Fest den Backstage Bereich mit Right Said Fred teilen dürfen, bzw. die mit uns teilen müssen. Jeder Mensch ist Fan von Right Said Fred (ca. Scooter des Gitarren-Pop) , und von den Hardcore Fans von R.S.F. sieht nicht jeder gut aus. Die Grundidee des Groupies klingt beim ersten Hören reizvoll, beim ersten Blick auf die Realität allerdings... Nicht nur der Genießer schweigt - auch der Beobachter im Schockzustand – oder wenn du nichts Positives zu sagen hast dann...
Kein Wunder, dass das heilige Catering der legendären R.S.F. aus Subway Sandwiches und Vodka besteht. Die Jungs selbst sind eigentlich sehr entspannt und auch nach 150 Jahren Showbiz vor jedem Auftritt immer noch aufgeregt. Am meisten verwundert ist man dann aber über sich selbst. R.S.F. gehen auf die Bühne und alle die auf der Seitenbühne dabei waren gehen ab! Und wie es scheint könnte ich locker bei R.S.F. fünf oder sechs Songs mitsingen, ohne Textschwächen zu zeigen. Als der Playback Meister endlich „I’m too sexy“ droppt verlieren wir alle die Kontrolle. Ich muss mich wohl oder übel als R.S.F. Hooligan bezeichnen lassen. Es gibt Videoaufnahmen, die Sannah, Katrin einige andere und mich dabei zeigen wie wir den Song härter performen als Right Said Fred auf der Bühne.
Aber das ist ja auch in Ordnung, ist ja WM, und fuckin’ Right Said Fred! Und dieser Rausch sollte sich fortsetzen.
Nach ungefähr 11 Stunden Fan Fest und vorangegangenen Fotoshooting mit dem MG3, ist man doch verhältnismäßig fertig. Gerade wenn man sich bei dem Konzert von R.S.F. so verausgabt wie ich. Mit Ohrwurm-Dauerschleife im Kopf und Schlaf im Sinn verpasst man den Bassment Club, um am nächsten Tag 15 Stunden zu arbeiten. Eine nette kleine Vermietung voll mit leicht desorganisierten Modeschöpfern kann das Herz erfreuen, besonders wenn der Schlafmangel langsam seine berauschende Wirkung zeigt. Der Höhepunkt der Veranstaltung sollte eine Party mit einem DJ sein, der rund um Hamburg bereits jede ländliche Zeltdisko zerlegt haben muss.
Der Hans Albers Platz mitten in Barmbek. ‚Rama-lama-ding-dong’ trifft Culture Beats grandioses ‚Mr. Vain’. Da ich immer noch voll auf Right Said Fred hängen geblieben war, dauerte es nicht lange bis ich als Verantwortlicher des Abends beschlossen hatte, dass es Zeit für Karaoke war. Nicht nur Hausrecht und Verantwortung lagen in meiner Hand, sondern auch das schnurlose Mikrofon. Und Dirty Dancing wäre ein anderer Film gewesen, hätte man meine Version von ‚Time of my Life’ damals verwendet. Und viele wissen gar nicht wie ähnlich die Basslines von ‚Killer / Papa was a rolling stone’ von George Michael und ‚Sing Halleluja’ von Dr.Alban sind. Dank meiner Beatboxskillz gibt es aber 50 neue Zeugen dieser Parallelen. Das Pur Medley hat mir dann den Rest gegeben. Robbie Williams ‚Angels’ wurde folglich mit einer Lightshow untermalt, wie sie sonst nur bei Madonnas Konzerten zu erleben sind. Der Kiez wäre nach all dem mein gewesen, hätte der Abbau nicht doch zwei volle Stunden gedauert.
So blieb der Kiez doch noch mal verschont, und ein Taxifahrer für die Heimreise musste her.
Da die Nationalmannschaft am Nachmittag unter Beweis gestellt hat, dass wir Weltmeister werden, gab es auch noch um 5 Uhr Morgens vereinzelte Patrioten im Vollrausch. Der Taxifahrer freut sich: „Deutschland. Land der Dichter und Denker.“ Ich fühle mich komisch berührt. Der Taxifahrer ist Holländer! Aber gut, nach Hause fahren wird er können.
Das tolle an Holländern ist, dass man sich immer direkt an Rudi Carrell erinnert fühlt. Das Gute an Rudi Carrell, ist die Tatsache, dass egal was die anderen TV-Sender senden, es wird besser sein als Rudi Carrell. Eine relative Aufwertung des TV-Programms.
Das dumme an Holländern, die nicht Rudi Carrell heißen, ist, dass es leider keine Fernbedienung gibt. Das fällt einem dann aber doch erst auf, nachdem es bereits zu spät ist, um noch ein anderes Taxi zu nehmen. Also hatte ich nach 15 Stunden Arbeit, noch das Vergnügen eine Diskussion über Patriotismus und Fußball austragen zu dürfen. Diese Woche finde ich hoffentlich einen argentinischen Taxifahrer, oder den aktuellen Tourplan von Right Said Fred.
Posted by Jazzket
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