20.08.06
Fly Robin Fly REMIX

Wer Werbung macht muss leiden. Schon Jesus hat für sein früh-kirchliches Engagement ordentlich leiden müssen. Nicht, dass die Konzerte auf Kampnagel etwas mit Kirche zu tun hätten, aber ich habe mir am Wochenende meinen temporären Spitznamen Jesus wirklich verdienen dürfen.
Eine Drum ‚n’ Bass & Reggae Veranstaltung in der Roten Flora war mein Berg Golgotha, und verwirrte Jugendliche Starrköpfe meine Römer. Ein Mensch einwandfrei durch Dreads als Reggae Hörer zu erkennen, erhält den Kampnagel-Programmflyer (siehe Banner). Nosliw? Ja. Nosliw ist nichts für ihn! Denn - jetzt kommen die ersten Nägel - Nosliw hat angeblich mal in einem Song gesagt, ein anderer Mann sei hässlich, und deswegen chancenlos bei einer Frau. Gesetz dem Fall, es gibt diesen Song, so wäre er wohl auch nicht ganz mein Fall, aber mir ist Nosliw trotzdem der liebste Deutsche Reggae Act der Welt. Aber jetzt ging es ja erst richtig los. Da Nosliw einen anderen Menschen angeblich als hässlich bezeichnet hat, ist er folgerichtig nicht deep! Und Reggae hat deep zu sein, denn sonst ist es Kommerz. Daraus folgen weitere Probleme! Die Schwarzen lachen darüber! Da Lachen ja bekanntlich gesund ist, muss Reggae ungesund sein. Und zumindest hatten wir hier einen kranken Geist. Bei weiteren Nachfragen konnte man feststellen, dass Reggae eigentlich nur nicht aus Deutschland kommen darf. Es machte den Anschein, dass deep und Patois das gleiche sein müssen, denn alle Künstler aus Jamaika sind ja bekanntlich deep, egal wie hirnlos die Texte einiger echter Jamaikaner auch sein mögen. Und so ging es noch ein paar Minuten weiter. Zusammengefasst kann man sagen: Jan Delay kann nix, Schwarze sollten bitte nichts zu lachen haben und er hat selber eine Band die die Welt noch in Deepness stürzen wird.
Und diese Deepness war drei Menschengrüppchen weiter vor der Roten Flora schon in vollem Gange. Drei junge Männer bekommen die Werbeunterlagen in die Hand gedrückt. Zwei der
drei glorreichen Pfennigfuchser zeigen sich durchaus interessiert an dem Programm. Der Dritte fragt: „Und was ist mit Drum & Bass?“ Leider nicht im Angebot. Der Anführer, zu erkennen am Bart, lobt das Programm, vor allem Nosliw. Ein gewisser Mut zur Hässlichkeit war nicht abzustreiten. Eine angeregte Unterhaltung über das Programm entbrennt, die zwei (der Dritte ist auch noch da...) sind nicht nur breit, sondern auch musikalisch gefächert. Der Dritte überrascht mit einem Gesprächsbeitrag: „NNEKA! Fett! Die macht so chhhhiiiilllllll Digger! Chiiiiilllll“ Die einhergehenden Handbewegungen sind nicht nur unbeschreiblich, sondern vermutlich nicht mal mit einer handelsüblichen Kamera abzulichten. Das muss diese Deepness sein. Aber irgendwie hat der Mensch Recht. Nnekas Stimme hat eine unbeschreibliche Wirkung auf die Zuhörer, eine unbeschreibliche Geste ist da vermutlich die gerechteste Aussage.
Was haben wir also gelernt? Die Rote Flora ist ein schöner Platz für bunte Menschen. Nosliw findet vermutlich andere Männer teilweise hässlich und Nneka macht derbe chill. Wie es weiter geht, erfahren neugierige am Mittwoch, wenn Positunes den Auftakt machen.
Posted by Jazzket
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